Gespräch mit Telgter Bürgermeister Wolfgang Pieper

Aus dem Wahlkreis

Wie lassen sich Hochwassereinsätze optimieren, wenn die Ems wieder über die Ufer tritt? Wann gibt es endlich einen verlässlichen (finanziellen) Handlungsrahmen für die Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung? Und hätte der Ausbau der Schulinfrastruktur – Stichwort „Verpflichtender Offener Ganztag“ – angesichts leerer Kassen nicht noch etwas Zeit gehabt? Sehr konkrete Fragen kamen beim Gespräch zwischen dem CDU-Landtagsabgeordneten Daniel Hagemeier und dem Telgter Bürgermeister Wolfgang Pieper auf den Tisch. Von CDU-Seite aus nahm Ortsunionsvorsitzende und Ratsfrau Anne-Katrin Schulte teil.

 

Der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Hagemeier (M.) im Gespräch mit Bürgermeister Wolfgang Pieper. Mit dabei: die Ortsunionsvorsitzende Anne-Katrin Schulte.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Hagemeier (M.) im Gespräch mit Bürgermeister Wolfgang Pieper. Mit dabei: die Ortsunionsvorsitzende Anne-Katrin Schulte.

Katastrophenschutz im Fokus

Nach der jüngsten Hochwasserlage hat sich die Situation in Telgte wieder beruhigt. Zeit für eine Evaluierung. „Da gibt es viel Positives zu sagen“, lobte Bürgermeister Wolfgang Pieper das Engagement der vielen helfenden Hände rund um Feuerwehr, THW und Ordnungsamt. Insbesondere die Kommunikation nach außen habe sehr gut funktioniert. Jetzt gelte es, die Erfahrungen auszuwerten. Drohnenaufnahmen der überschwemmten Gebiete sollen zum Beispiel offenbaren, ob der Fluss noch weitere Retentionsflächen braucht. „Ich denke aber, dass wir da schon sehr gut vorgearbeitet haben“, unterstrich Pieper. Sollten im Kreis Warendorf an zentralen Stellen mehr Sandsäcke eingelagert werden? Angesichts der Tatsache, dass Sandsäcke ein „Ablaufdatum“ hätten und das Abfüllen in der Krisensituation reibungslos geklappt habe, ist der Bürgermeister skeptisch. Um Fragen wie diese zu klären, werde in Kürze ein Gespräch in Düsseldorf mit allen Feuerwehrleitungen aus dem Kreis und Innenminister Herbert Reul stattfinden, informierte Daniel Hagemeier. „Katastrophenschutz ist ein ganz wichtiges Thema unserer Innenpolitik in NRW, gerade angesichts der Tatsache, dass sich Ereignisse wie diese häufen.“

 

Fehlende Kapazitäten für Flüchtlingsunterbringung

Ein Thema, das jede Kommune bewegt, ist die Unterbringung Geflüchteter. In Telgte betrifft das derzeit rund 700 Menschen, ein Drittel davon in laufenden Asylverfahren, zwei Drittel bereits anerkannt. Da es der Stadt an größeren Unterbringungsmöglichkeiten mangelt wie zum Beispiel ehemalige Schulgebäude, müssen Alternativlösungen her: „Nach wie vor ist unsere Zweifach-Turnhalle belegt, mit 60 Menschen auf sehr begrenztem Raum“, schilderte der Bürgermeister, „außerdem haben wir 120 Menschen an drei Containerstandorten untergebracht“. Zwei weitere seien geplant, parallel dazu habe die Stadt zudem mehr als 120 Wohnungen angemietet. Mit Folgen: „Für Wohnungssuchende ist es angesichts des angespannten Markts derzeit so gut wie unmöglich, in Telgte etwas zu finden“, gab Wolfgang Pieper zu bedenken. Er richtete mahnende Worte an die Politik auf Landes- und Bundesebene: „Wenn die Strukturen vor Ort nicht mehr funktionieren, dann wird es gesellschaftlich problematisch.“ Die Stadt plane derzeit verstärkt öffentlich geförderten Wohnraum in Telgte-Süd. „Aber bis es so weit ist, dauert es noch gut zwei Jahre“, so Pieper. „Und der Druck nimmt tendenziell weiter zu.“

 

Ruf nach klaren Richtlinien

Daniel Hagemeier ist das bewusst: „Wir hätten uns ebenfalls ein deutlich zielführenderes Ergebnis aus dem Flüchtlingsgipfel Ende vergangenen Jahres gewünscht“, betonte der CDU-Landtagsabgeordnete. Weder die Frage der Finanzierung noch die der Begrenzung irregulärer Migration seien hinreichend geklärt worden. Er zählte auf, was die Landesregierung unternommen habe, um die Kommunen zumindest in Teilen zu entlasten: „Für jeden Euro aus Berlin haben wir drei Euro draufgelegt, die Kapazitäten für die Erstunterbringung werden verdoppelt.“ Aber derzeit gäbe es 28 Kriegsherde weltweit: „Es werden weiterhin viele Menschen auf der Flucht sein“, so Hagemeier, „bei jeglicher humanitären Verantwortung müssen wir bundes- wie europaweit klare, verbindliche Lösungen finden für eine geregelte Migration und eine faire Verteilung!“

 

Hoffnungen ruhen auf neuem KiBiz

Wäre es nicht angesichts der derzeitigen Kostenexplosion in so vielen Bereichen sinnvoll, andere kostspielige Maßnahmen wie zum Beispiel den verpflichtenden „Offenen Ganztag“ zu verschieben, gab Bürgermeister Wolfgang Pieper zu bedenken? Die Antwort Hagemeiers: „Jein.“ Denn bei allen zusätzlichen Kosten, die damit einhergingen, habe die schwarz-grüne Landesregierung im laufenden Haushaltsjahr ja nicht umsonst einen deutlichen Schwerpunkt auf Kinder, Jugendliche und Familien sowie Schule und frühkindliche Bildung gelegt. „Allein die Aufwendungen für Bildung belaufen sich auf über 37 Milliarden Euro“, so Hagemeier. „Mit der Schaffung von zusätzlichen 38000 Plätzen im Offenen Ganztag im Primarbereich auf insgesamt über 430000 Plätze wird der Weg hin zur Erfüllung des Rechtsanspruchs in der Primarstufe konsequent fortgesetzt.“ Darüber hinaus investiere das Land 2024 fünf Milliarden Euro in das System frühkindliche Bildung, 550 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Hagemeier: „Bildung ist ein wichtiger Schlüssel!“ Was die Finanzierung der Kindertagesstätten anbelangt, bat Hagemeier den Bürgermeister noch um ein wenig Geduld: Der Landtagsabgeordnete geht davon aus, dass sich mit der Verabschiedung des neuen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), erwartet zum Start des Kindergartenjahres 2025/26, die Rahmenbedingungen für die Kommunen deutlich verbessern.

 

Weniger Straßenausbau – mehr Mittel für Gemeindehaus

Wie schwierig der finanzielle Balanceakt für die Kommunen ist, zeigen die aktuellen Zahlen für Telgte im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes: Mit rund 3,5 Millionen Euro erhält die Stadt zwar 600.000 Euro mehr als im Vorjahr. „Das sind aber vor allem Schlüsselzuweisungen infolge der weggebrochenen Gewerbesteuereinnahmen“, legte Wolfgang Pieper dar. Neben der kommunalen Finanzsituation brennen ihm derzeit weitere Themen auf den Nägeln, so zum Beispiel der vierspurige Ausbau der Bundesstraße, der laut eines aktuellen Gutachtens auf Höhe Telgte längst nicht mehr gerechtfertigt sei. „Vor diesem Hintergrund in ein Planfeststellungsverfahren zu gehen, wäre der Treppenwitz der Geschichte“, gab der Bürgermeister dem Landtagsabgeordneten für die Arbeit in Düsseldorf mit auf den Weg. Ein weiteres Anliegen: das Gemeindehaus für Raestrup. Ein Punkt, in dem Daniel Hagemeier zumindest in Teilen gute Nachrichten hatte: „Ich freue mich, dass der Ortsteil Raestrup aus dem Förderprogramm zur Stärkung des ländlichen Raums 250.000 Euro für das geplante Begegnungshaus erhalten wird.“ Was weitere Gelder aus einem anderen Fördertopf angehe, seien der Förderverein Raestruper Gemeindehaus und er in Gesprächen: „Wir arbeiten an einer Lösung.“

 

Extrakasten: ZAHLEN UND FAKTEN

Der Landesetat 2024 hat ein Volumen von rund 102,1 Milliarden Euro. Die Prioritäten liegen bei Kindern, Familien, Bildung, Wohlstand und Arbeitsplätzen sowie Sicherheit. Allein 37 Milliarden Euro sind für den Bereich Bildung reserviert. Mehr als jeder dritte Euro der Gesamtsumme geht an die Kommunen, insgesamt rund 36 Milliarden Euro. Auch bei der Entschärfung der Flüchtlingssituation leistet das Land seinen Beitrag: Insgesamt fließen 808 Millionen Euro in die Kommunen. Aus dem Nahmobilitätsprogramm NRW wurden zum Ende des Jahres 2023 sechs Projekte im Kreis Warendorf mit 3,5 Millionen Euro gefördert – darunter die Veloroute 3 vom Rochus-Hospital bis zum Orkotten, dritter Bauabschnitt.