Aufschlussreiche Schicht im Pflegeheim
Daniel Hagemeier ist heute einmal nicht im Anzug unterwegs. Stattdessen hat der CDU-Landtagsabgeordnete für den Nordkreis Warendorf die Arbeitskleidung eines Pflege-Praktikanten übergestreift, die Hände desinfiziert und pünktlich um 6.30 Uhr morgens seine Probeschicht im Von-Galen-Haus Oelde angetreten.
Geschäftsführerin Birgit Schwichtenhövel, Bereichsleiter Timo Reckmann und Pflegedienstleiter Christian Thiemann bedankten sich bei Daniel Hagemeier für seinen Einsatz.Praxiserfahrung in der Frühschicht
In diesem Moment versorgt er eine Heimbewohnerin am Frühstückstisch löffelweise mit angedicktem Saft und
klein geschnittener Banane. Nach den ersten zwei Dienststunden hat er bereits jede Menge wertvoller Erfahrungen gesammelt und festgestellt: Die Arbeit in der Pflege verlangt den Beschäftigten viel ab – Geduld, Körpereinsatz und Respekt vor dem Alter, aber auch Nerven wie Stahlseile, wenn Unvorhergesehenes passiert und die Personaldecke in der Grippesaison einmal dünner ist. Es sind Erkenntnisse, die Daniel Hagemeier mit in die politische Arbeit in Düsseldorf und in den neu gegründeten Bundesfachausschuss „Zukunftsfestes Gesundheits- und Pflegesystem“ nehmen will, denn: „Verlässliche Pflege ist ein elementarer Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens – wir müssen alles daran setzen, dafür Rahmenbedingungen zu schaffen, die unserer älter werdenden Gesellschaft und den Beschäftigten im Pflegebereich gerecht werden!“
Wenn Fürsorge zur Formularsache wird
Derzeit bereiten genau diese Rahmenbedingungen der Leitung und den Angestellten noch großes Kopfzerbrechen. Zur fortwährend drängenden Frage der Finanzierung und des Fachkräftemangels gesellen sich weitere Problemfelder. Beispiel: Dokumentationspflicht. Was sich dahinter verbirgt, erfährt Daniel Hagemeier im Dienstzimmer von Wohnbereichsleiter Timo Reckmann. Auf dem PC der Pflegefachkraft öffnen sich endlose Seiten von Maßnahme-Plänen und Word-Dokumenten. „Das ist das, was der Medizinische Dienst im Rahmen des Qualitätsmanagements von uns verlangt“, erläutert der Mitarbeiter auf die fragenden Blicke hin, „und oft ist das den Prüfenden sogar noch zu wenig“. Was nicht akribisch Schwarz auf Weiß dokumentiert ist, gilt pauschal als „nicht erledigt“. Wie es der Bewohnerin am Frühstückstisch ergeht, die mit gesunder Gesichtsfarbe und sichtlich zufrieden die Zuwendung genießt, ist im bürokratischen Prüfverfahren zweitrangig. Das hat Auswirkungen: Mindestens 50 Prozent seines Arbeitstages entfielen auf Dokumentation, Evaluation und andere Bürotätigkeiten, bestätigt der Bereichsleiter. „Dabei sollte die Zeit am Bewohnerbett doch viel wichtiger sein!“
Künstliche Intelligenz als Chance
Eine Möglichkeit, so erfährt Hagemeier, sei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Dokumentation der zahllosen Handgriffe. Entsprechende Systeme gäbe es, klären ihn Geschäftsführerin Birgit Schwichtenhövel und Pflegedienstleiter Christian Thiemann auf. Die Anschaffungskosten zuzüglich der Kosten für Schulungen seien aber immens hoch. „Für uns als einzelne Einrichtung ohne einen starken Verband im Hintergrund schwer leistbar“, sagt Schwichtenhövel. „Hier muss es in Zukunft umsetzbare Lösungen geben“, ist Hagemeier mit den Verantwortlichen einer Meinung. Die Personalsituation werde sich nicht bessern, zumal im Kreis Warendorf 50 Prozent der Pflegefachkräfte 55 Jahre und älter seien.
Einsatz, der Anerkennung braucht
Weg von der Bürokratie – hin zum Menschen: Das Frühstück ist beendet. Mit dem Rollstuhl geht es zur Wundkontrolle. „Unser Haus steht für Qualität“, richtet Thiemann einen großen Dank an die Belegschaft – von den Pflegefachkräften über die Hauswirtschaft und Verwaltung bis hin zur Haustechnik. Doch der Einsatz müsse auch honoriert werden. „Es ist schwierig, bei Ausfällen im Tag/Nacht-Dienst oder an Wochenenden und Feiertagen Ersatz zu finden“, schildert Timo Reckmann typische Situationen aus dem Alltag. Eine höhere Zuwendung als die derzeit im Rahmen der Möglichkeiten leistbare 50-Euro-Pauschale würde helfen, zumal eine Zeitarbeitsfirma alternativ 952 Euro pro Nacht in Rechnung stelle. Doch da spielen die Steuerfreibeträge nicht mit. Seine Bitte an Hagemeier: „Setzen Sie sich auf höherer politischer Ebene für einen angemessenen Nachtausgleich ein beziehungsweise Einspringprämien, die refinanziert werden.“
Auftrag an die Politik im Gepäck
Am Ende der Schicht macht sich Daniel Hagemeier sehr nachdenklich auf den Heimweg: „Ich hatte vorher schon Respekt vor diesem Beruf – der ist jetzt noch einmal gehörig gestiegen“, stellt der CDU-Landtagsabgeordnete fest. Bürokratieabbau, finanzielle Wertschätzung bei Einsätzen außerhalb des normalen Dienstplans, Anreize für Auszubildende und möglicherweise auch die Rückkehr zu einem verpflichtenden sozialen Jahr als Pendant zum Wehrdienst – das seien wichtige Punkte, mit der sich die Politik dringend beschäftigen müsse und die er in Düsseldorf und Berlin anbringen werde. „Wir tragen eine hohe Verantwortung!“