Plenarrede vom 12.03.2020 Daniel Hagemeier MdL, Sprecher im Hauptausschuss


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wir befassen uns heute in 2. Lesung mit einem Gesetzentwurf der AfD, die damit mehr direkte Demokratie einfordert. Bereits zur 1. Lesung im Juni 2019 habe ich die Meinung der CDU dazu deutlich gemacht: Wir lassen nicht zu, dass die AfD direkte und indirekte Demokratie gegeneinander ausspielt.

Wir als christlich-demokratische Union stehen zu unserer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie!

An dieser grundsätzlichen Einstellung hat sich nichts geändert.

Der zuständige Hauptausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf befasst und in einer Anhörung externen Sachverstand zu Rate gezogen.

Professor Dr. Frank Decker vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn hat sich in einer sechsseitigen Stellungnahme intensiv mit dem Vorstellungen aus dem Gesetzentwurf befasst und diese bewertet.


Von den zehn Lösungsvorschlägen, die in dem Gesetzentwurf für eine Stärkung der direkten Demokratie gemacht werden, sind nur drei aus Sicht dieses Gutachters und ein weiterer überhaupt diskutabel.

Die Befürworter der direkten Demokratie behelfen sich häufig mit den angeblich positiven Erfahrungen aus der Schweiz. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass die direkte Demokratie dort historisch tief verwurzelt ist und sowohl in der politischen Kultur als auch in den Institutionen des Regierungssystems fest verankert ist.

Diese Kontextbedingungen sind nicht ohne Weiteres auf die Bundesrepublik übertragbar!

Die meisten der Forderungen aus dem Gesetzentwurf sind mit unserem parlamentarischen Regierungssystem nicht vereinbar.

Im Fall der Volksgesetzgebung könnte sich eine Konkordanzdemokratie Schweizer Art entwickeln.

Eine Auflösung des Parteienwettbewerbs und eine Präsidentialisierung des politischen Systems wären die Folge, wenn die Restriktionen für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf der Länderebene gelockert würden oder Volksgesetzgebung auf Bundesebene eingeführt würde.

Von obligatorischen Referenden geht diese Gefahr nicht aus. Sie bringen allerdings einen Abstimmungskonservatismus mit sich, der sich negativ auf die Reformfähigkeit auswirken könnte.

Fakultative Referenden oder Volksbefragungen könnten hingegen von Parlamentariern oder Regierungen missbraucht werden, um unliebsame politische Entscheidungen an das Volk zurückzuverweisen und sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Da Volksrechte neben dem parlamentarischen einen zweiten Legitimationsstrang aufbauen, durchbrechen sie die festgelegte Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition, die das zentrale Funktionsprinzip des parlamentarischen Systems darstellt.

Vielleicht ist den Abgeordneten in diesem Parlament, die aus gutem Grunde in unserer Runde rechts sitzen, auch entgangen, dass bereits 2018 die Enquetekommission III eingesetzt wurde: „Subsidiarität und Partizipation. Zur Stärkung der (parlamentarischen) Demokratie im föderalen System aus nordrheinwestfälischer Perspektive“.

Auch weil dort eine fokussierte Diskussion geführt ist, macht es keinen Sinn, dass einzelne Parteien jetzt eigene Vorschläge präsentieren, auch wenn das im Rahmen ihrer Oppositionsfunktion natürlich legitim ist.

Die Herausforderung der direktdemokratischen Verfassungsgebung besteht heute zum Einen darin, diese in das vorhandene parlamentarisch-repräsentative System so einzubetten, dass dysfunktionale Wirkungen ausbleiben und sie tunlichst einen demokratischen Mehrwert erzeugen.


Hier gibt es in Nordrhein-Westfalen durchaus noch Optimierungsbedarf. Zum Anderen sollen sie mit weiteren, nicht-verbindlichen, sogenannten „deliberativen“ Verfahren der Bürgerbeteiligung verknüpft werden, in deren Rahmen sich die Bürger mit den zu entscheidenden Materien vertraut machen können.


Auch zu diesem Komplex, der politisch und verfassungsrechtlich bisher noch weitgehend Neuland ist, wird die Enquetekommission III Handlungsempfehlungen erarbeiten.

Doch nun zurück zu unserem Thema hier im Plenum, dem vorliegenden Gesetzentwurf in der 2. Lesung.

Der Rechtsausschuss stimmte auf einer Sitzung am 15. Januar 2020 darüber ab und empfahl dem Hauptausschuss eine Ablehnung.

Dieser Empfehlung ist der Hauptausschuss in seiner Sitzung am 6. Februar mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und Bündnis 90/ Die Grünen gefolgt.

Dieses Votum werden wir heute bekräftigen. Die CDU-Landtagsfraktion wird gegen den Gesetzentwurf stimmen.