Plenarrede Daniel Hagemeier am 24.11.2022

 

„Opferrechte stärken: Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchstaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen!“

Drucksache 18/1691, TOP 2

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

körperliche Unversehrtheit und der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung sind hohe Schutzgüter. Staat und Gesellschaft stehen in besonderer Verantwortung beide zu gewährleisten und Übergriffe konsequent zu ahnden.

Wer dagegen verstößt, verletzt die unantastbare Würde des Opfers. Das ist widerlich, verabscheuungswürdig und muss mit aller Konsequenz strafrechtlich verfolgt und geahndet werden.

Doch das allein kann die ganze schreckliche Tragweite des Missbrauchs nicht erfassen. Wer Menschen, vor allem Kinder, sexuell missbraucht, der begeht Mord an den Seelen der Opfer.

Das kann durch keine Strafe und keine finanzielle Entschädigung gut gemacht werden. Es gibt keine Ex-Opfer sexueller Gewalt und sexuellen Missbrauchs. Die Opfer leiden ein Leben lang darunter. Die Wunden verheilen, wenn überhaupt, nur langsam. Narben aber bleiben lebenslang.

Der Schutz von Menschen, insbesondere von Kindern vor sexualisierter Gewalt steht für die Zukunftskoalition von CDU und Grünen im Mittelpunkt.

Dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion „Opferrechte stärken“ können wir jedoch aus mehreren Gründen nicht zustimmen. Dieser Antrag insinuiert auf unverantwortliche Weise den Eindruck, dass sexueller Missbrauch vor allem ein Problem der katholischen Kirche sei. Wie jede kollektive Verurteilung wird dies der Schwere des Problems nicht gerecht.

 

Um an ein Wort des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zu erinnern, gibt es keine kollektive Schuld. Es gibt aber aus meiner Sicht eine kollektive Verantwortung sexuellen Missbrauch aufzuklären und die Täter mit der ganzen Härte des Rechtes zu bestrafen.

Gleichzeitig haben wir alle eine Verantwortung, dem sexuellen Missbrauch entschieden entgegenzutreten. Wer wegsieht oder nicht zuhört, wird zum Mittäter und macht sich schuldig.

Die demokratischen Fraktionen in diesem Hause haben insbesondere in der letzten Legislaturperiode überzeugend bewiesen, wie wir im konstruktiven Ringen um die Sache bei gleichzeitigem Verzicht auf Politisierung im Sinne der Menschen strukturell und nachhaltig wirken können.

Selbstverständlich spreche ich von der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder und deren  Leistungsbilanz und ich möchte auch die gute gemeinsame Zusammenarbeit im PUA Kindesmissbrauch erwähnen.

Der vorliegende Antrag lässt bedauerlicherweise eine dem Thema angemessene differenzierte Betrachtungsweise vermissen.

Wir alle wissen spätestens seit Ende der 90er Jahre von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere Verantwortliche in der katholischen Kirche. Damals erfuhr die Weltöffentlichkeit von den Fällen in den USA und Irland.

Pater Mertes hat dankenswerter Weise die Missbrauchsfälle im Jesuitenorden publiziert und spätestens seit 2010 ist uns eine Vielzahl dieser Fälle auch in der katholischen Kirche Deutschlands bekannt.

Wir alle wissen aber auch, dass die katholische Kirche Deutschlands vor diesem leidvollen Hintergrund viele Maßnahmen zur Aufdeckung und Aufklärung sowie zur Prävention beschlossen und umgesetzt hat.

So gibt es in den fünf NRW-Bistümern Aufarbeitungskommissionen, in der zwei von der Landesregierung benannte Mitglieder mitarbeiten.

Alle fünf Bistümer beteiligen sich an den Verfahren zur Anerkennung des Leides, es gibt Betroffenenbeiräte und seit 2010 verpflichtende Präventionsschulungen für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende in den Bistümern.

Sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und muss daher in gleicher Weise aufgeklärt und in den Blick genommen werden.

Auch wenn momentan vor allem Kardinal Woelki ein für uns und auch für mich persönlich unverständliches Verhalten in diesem Kontext zeigt, was auf eine mangelnde Sensibilität und nicht vorhandene Einsicht schließen lässt, sollten wir die Dimension dieser Taten nicht vergessen, denn wir alle wissen, dass diese Verbrechen an Jugendlichen und Kindern in den Familien, in der Verwandtschaft, im familiären Bekanntenkreis, in Schulen, in den Vereinen und  im Ehrenamt vorkommt. Leider sind das keine Einzelfälle.

Unser Ziel und unsere Verantwortung müssen daher sein, gemeinsam alles zu tun, um aufzuklären, die Täter zu bestrafen, Prävention in Form von Information, Transparenz und Schutzkonzepten zu ermöglichen. Vor allem aber, den Opfern in jeder Hinsicht beizustehen, zu helfen und sie nicht allein zu lassen.

Der vorliegende Antrag wird dem gesamtgesellschaftlichen Problem und dem daraus resultierenden Auftrag zwar nicht gerecht, der Überweisung in den zuständigen Hauptausschuss werden wir aber zustimmen.

 

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Gesprächen mit Vertretern der katholischen Kirche habe ich offen und in aller Deutlichkeit die gesellschaftliche Erwartungshaltung angesichts der Missbrauchsfälle angesprochen, wenn die katholische Kirche ihre Glaubwürdigkeit dauerhalft zurückgewinnen will und es den Opfern gegenüber ernst meint.

Es darf kein Täter, der sexuelle Gewalt angewendet hat oder sexuell missbraucht hat, geschont werden. Ebenso müssen diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die versuchten oder immer noch versuchen Missbrauchsfälle zu vertuschen. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.

Gott ist für gläubige Christen die letzte Instanz, der uns an unseren irdischen Taten messen wird. Das darf allerdings keinen vor der weltlichen Strafverfolgung schützen und ausnehmen.

Die Mitglieder des Hohen Hauses sind es diesen Menschen schuldig, konstruktiv miteinander zu arbeiten.

Dazu lade ich alle in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung herzlich ein.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.