Landesregierung beschließt umfassendes Paket zu Sicherheit, Migration und Prävention in NRW

Aus der Landesregierung

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat am Dienstag, 10. September 2024, ein umfassendes Maßnahmenpaket zu den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention beschlossen. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat am Mittwoch, 11. September 2024, den Landtag darüber unterrichtet. Das Paket umfasst die drei Säulen Sicherheit, Migration und Prävention. Mit ihm werden unmittelbar weitere Handlungsschritte eingeleitet, die unter anderem neue rechtliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, eine Stärkung des Verfassungsschutzes, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im digitalen Raum sowie einen leichteren Datenaustausch zwischen allen Behörden vorsehen.

Zudem beinhaltet der Maßnahmenkatalog die Einrichtung von drei zusätzlichen Asylkammern bei den Verwaltungsgerichten, eine Erweiterung der Zuständigkeit der fünf Zentralen Ausländerbehörden zur stärkeren Unterstützung bei Abschiebungen und die Planung einer weiteren Abschiebehaftanstalt. Präventionsangebote sollen vernetzt, ausgebaut und online angeboten werden und die Präventionsarbeit in Flüchtlingsunterkünften, Schulen und im Justizvollzug ausgeweitet und verbessert werden.

 

Landespolitische Maßnahmen

  1. Einsatz von virtuellen Ermittlern sowie künstlicher Intelligenz zum Internetmonitoring und zur Analyse erhobener Daten

Das Internet ist ein schier unendlich Raum mit einer unüberblickbaren Anzahl an Informationen. Schätzungen zufolge besteht das Internet aus etwa 550 Millionen Terabytes. Suchen und ermitteln in diesem Datenraum, insbesondere in den Sozialen Medien, wird zunehmend wichtiger. Dafür bedarf es sog. „virtueller Ermittler“, die die sozialen Medien „digital bestreifen“, um die Wahrnehmung der Sicherheitsbehörden im digitalen Raum zu erhöhen, Straftaten vorzubeugen und begangene Straftaten zu ahnden.

Um der schieren Masse der Daten im Internet zu begegnen, ist darüber hinaus der Einsatz künstlicher Ermittlungsintelligenz notwendig, um die richtigen Schwerpunkte bei der Durchsicht und Bewertung zu setzen. 

 

  1. Entwicklung technischer Übersetzungsmöglichkeiten mittels KI, insbesondere bezüglich seltener Sprachen oder besonderer Dialekte

Oftmals stoßen die Sicherheitsbehörden bei ihren „digitalen Streifen“ auf Beiträge, die in seltenen Sprachen oder orts­spezifischen Dialekten verfasst sind. Für diese seltenen Sprachen fehlen in der Regel geeignete Dolmetscher. Hierfür müssen weitere technische Übersetzungsmöglichkeiten - insb. für bspw. szene­relevante Sprachen wie Tadschikisch - mittels KI entwickelt werden.

  1. Zentralisierung und engere Abstimmung bei der Strafverfolgung 

Die strafrechtliche Verfolgung von illegalen Posts, die in herausgehobenem Maße demokratiegefährdende Äußerungen rassistischen, antisemitischen und islamistischen Inhalts enthalten, soll bei der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW) zusammengeführt werden, um die Effizienz der Abläufe zu erhöhen.

Durch die Einrichtung einer Clearingstelle der Landesanstalt für Medien NRW gemeinsam mit den in Deutschland präsenten Telekommunikationsunternehmen sollen Sperrungen von Netzangeboten mit illegalen Inhalten beschleunigt werden.

 

  1. Nutzung von Gesichtserkennungssoftware zum Abgleich mit öffentlich zugänglichen Datenbanken

Die Identifikation einer Person, die in der Realwelt oder im Internet als Gefährder oder sicherheitsrelevante Person aufgefallen ist, ist der Schlüssel zu den weiteren erforderlichen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden. Wie das prominente Beispiel der RAF-Terroristin, Daniela Klette, zuletzt gezeigt hat, nutzen Private die bereits zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um einen entsprechenden Abgleich von vorhandenen Daten zu erstellen. Zugunsten des Schutzes der inneren Sicherheit ermöglichen wir den Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen die Nutzung passender Softwarelösungen analog zur beabsichtigen Regelung auf Bundesebene. 

 

  1. Erleichterung des Datenaustauschs zwischen den Behörden und insbesondere Einführung einer zentralen Übersicht der abzuschiebenden Personen

Die Diskussion rund um den islamistischen Terroranschlag von Solingen hat exemplarisch gezeigt, dass eine Vielzahl unter­schiedlichster Behörden aus Bund, Land und Kommunen in diesem Sachverhalt involviert waren. Diese organisatorische und insbesondere informationelle Trennung zwischen den jeweils sachlich zuständigen Behörden hemmt bisweilen die Handlungs­fähigkeit und den Informationsfluss. Ein stärkerer wechselseitiger Informationsaustausch liegt insbesondere im Interesse der Sicherheits­behörden und ist, wo dies bislang nicht geschieht, zu ermöglichen. Beispielhaft ist hier zur Verfahrenserleichterung an eine zentrale Übersicht der abzuschiebenden Personen zu denken. Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen Verfassungs­schutz, LKA NRW und der Sicherheitskonferenz des MKJFGFI (Siko) weiter intensiviert, bspw. wird die Siko in die Beratungen des Gefahrenabwehrzentrums Terrorismus (GTAZ NRW) beim LKA NRW fallbezogen hinzugezogen. 

 

  1. Islamistische Prediger/Influencer stärker in den Blick nehmen 

Die Rolle und der Einfluss von islamistischen Predigern und Influencern für die Radikalisierung von jungen Menschen ist elementar. Um die bereits vorhandenen Erkenntnisse weiter zu verdichten, ist eine landesweite „Islamistischen Prediger-/ Influencer-Datei“ einzuführen, die neue Erkenntnisse generiert oder Erkenntnislücken für die Sicherheitsbehörden schließt. Hierdurch ist nicht nur eine effektive Informationsgewinnung, sondern auch die Initiierung weiterer Maßnahmen und Verfahren der Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung beabsichtigt.

 

  1. Rechtliche Befugnisse des Verfassungsschutzes neu justieren

Auch der Verfassungsschutz ist für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Bedrohungslagen moderner und zielgerichteter aufzu­stellen. Das Land Nordrhein-Westfalen wird das Verfassungs­schutzgesetz Nordrhein-Westfalen novellieren und dabei insbesondere folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Nutzung der Quellen-Telekommunikations­überwachung

Für die Sicherheitsbehörden relevante Personen nutzen Messenger-Dienste oftmals unter bewusster Ausnutzung der komplexen Kommunikationsverschlüsselung mit dem Ziel der konspirativen Planung, Vorbereitung und Durchführung von Anschlägen. Daher soll der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen dieselben Befugnisse erhalten wie die Bundesbehörden. Diese Maßnahme unterliegt richtigerweise strengen rechtlichen Voraussetzungen. Es gilt jedoch die Maßgabe: Kein Sicherheitsrückschritt durch technologischen Fortschritt.

  • Anpassung der Regelungen für die Speicherung Daten Minderjähriger 

Auch Kinder und Jugendliche schließen sich inzwischen terroristischen Vereinigungen an sowie planen und begehen schwere Straftaten. Beschränkungen der Arbeit des Verfassungsschutzes durch die aktuellen Mindestaltersgrenzen für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von personenbezogenen Daten gehen deshalb an der Realität vorbei. Die bislang in Nordrhein-Westfalen bestehende Altersgrenze von in der Regel 16 Jahren ist mit Blick auf die vorhandenen Erkenntnisse zu Tätern und Tatverdächtigen nicht mehr praxisnah. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen soll zukünftig regel­mäßig Daten Minderjähriger ab 14 Jahren verarbeiten können.

  • Einführung einer Befugnis zur Durchführung von Funkzellenabfragen und für Übermittlungsersuche an Betreiber von Videoüberwachungsanlagen

Funkzellenabfragen bieten den Sicherheitsbehörden vielfältige Ermittlungsansätze. Durch dieses Instrument lässt sich bspw. das Kontaktnetzwerk einer Zielperson aufhellen, sodass neue Erkenntnisse generiert werden können. Die Befugnis zur Funk­zellenabfrage für den Verfassungsschutz wird daher gesetzlich normiert und soll der richterlichen Genehmigung unterliegen.

Darüber hinaus benötigt der Verfassungsschutz geeignete Rechtsgrundlagen, um Übermittlungsersuche an private Betreiber von Videoüberwachungsanlagen in öffentlich zu­gänglichen Bereichen stellen zu können. Die Ausweitung von Videoüberwachung erfolgt inzwischen auch von privater Seite und ist hierbei nicht nur auf Einkaufszentren, Stadien oder den öffentlichen Nahverkehr beschränkt. Mit diesen Daten können effektiv Verbleibskontrollen durchgeführt und Kontaktpersonen identifiziert werden. Die Daten sind nur solange zu speichern, wie sie zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind.

  • Stärkung der Kontrolle des Verfassungsschutzes

Zur Aufgabenerfüllung benötigt der Verfassungsschutz Befug­nisse, um an sicherheitsrelevante Informationen zu gelangen und Gefahren bereits im Vorfeld von Straftaten aufzuklären. Zu den Grundsätzen eines Rechtsstaats gehört die Kontrolle der Anwendung solcher Befugnisse. Diese Kontrolle findet durch verschiedenste Mechanismen und Institutionen statt. Neben der parlamentarischen Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und die G 10-Kommission hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht auch die gerichtliche Kontrolle in den Fokus gerückt. Wir erkennen diese wichtige Funktion der Kontrolle des Verfassungsschutzes an und wollen diese stärken, indem für die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils in der Regel ein Einzel­richter als Vorinstanz vorgesehen und die G 10-Kommission gestärkt wird.

 

  1. Stärkere Einbindung wissenschaftlicher Erkenntnisse 

Wissenschaftliche Erkenntnisse über verfassungsfeindliche und demokratiegefährdende Bestrebungen werden für die Arbeit der Sicherheitsbehörden in einer „Koordinierungsstelle Radikalisierungsforschung“ verstärkt nutzbar gemacht. Dies hilft beim Erkenntnisgewinn über Veränderungen der Phänomene, etwa Radikalisierungsprozesse im Internet. Diese Erkenntnisse sollen zielgerichtet an die betreffenden Stellen in den Sicherheits­behörden weitergeleitet und ein Informationsaustausch angeboten werden. 

 

  1. Stärkung der Vernetzung im Bereich Opferschutz

Bei dem in Solingen verübten Anschlag war die Opferschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen sofort zur Stelle, hat bereits am Vormittag des Folgetages die Hotline zu dem psychosozialen Beratungstelefon für Betroffene und Angehörige des Anschlags von Solingen geschaltet und die Öffentlichkeit darüber informiert. Für den Erfolg der Arbeit der Opferschutzbeauftragten nach einem Terroranschlag sind insbesondere die Dichte des Netzwerks auch zu Einrichtungen der (lokalen) psychosozialen Notfallversorgung, die unmittelbare Einbindung in die behördlichen Kommunikationsketten, und bürgernahe – auch digital abrufbare – Informationsangebote maßgeblich. Es gilt, diese drei Faktoren flächendeckend im Land zu pflegen und auszubauen.